31 Einsatzkräfte über 19 Stunden lang gefordert: Bergwacht rettet einen Verletzten und drei erschöpfte Bergsteiger bei Nebel, Starkregen und Sturm vom Watzmanngrat
RAMSAUER FORST – Ein Großaufgebot von 31 Einsatzkräften der Bergwachten Ramsau und Berchtesgaden war von Dienstag auf Mittwoch in einer sehr aufwendigen, über 19-stündigen Rettungsaktion am Watzmanngrat gefordert, um drei erschöpfte und einen verletzten Bergsteiger bei widrigen Wetterverhältnissen mit Nebel, Starkregen und Windböen sicher ins Tal zu bringen.
Die vier zwischen 38 und 44 Jahre alten Männer aus Hamburg, Oberbayern und Niedersachsen waren bereits zeitig zwischen 3 und 4 Uhr in der Früh am Parkplatz Wimbachbrücke aufgebrochen, um die an Schönwetter-Tagen stark frequentierte Watzmann-Überschreitung in umgekehrter Richtung entgegen des Urlauber-Stroms mit Aufstieg durchs Wimbachgries zur Südspitze und anschließender Grat-Überschreitung zum Hocheck zu absolvieren. Die Gruppe war dann nach rund einem halben Tag am Berg zwischen Süd- und Mittelspitze derart erschöpft und dehydriert, dass sie kaum mehr vorankam; der 38-jährige Hamburger hatte sich zusätzlich noch am Knie verletzt und konnte selbst nicht mehr gehen, weshalb die Urlauber schließlich gegen 15 Uhr bei der Leitstelle Traunstein einen Notruf absetzten – rund eine halbe Stunde zu spät, denn aufgrund des angekündigten Unwetters mit Windstärken von rund 100 Stundenkilometern konnte kein Heli mehr zur Einsatzstelle in rund 2.600 Metern Höhe starten und die Gruppe ohne größeren Zeit- und Personalaufwand ins Tal fliegen. Kontakt zum Anrufer an der Mittelspitze war nur bedingt möglich, da er nicht durchgehend Handy-Empfang und nur noch sehr wenig Akku hatte.
Der Einsatzleiter der örtlich zuständigen Bergwacht Ramsau schickte deshalb einen vierköpfigen Voraustrupp los, der bis ans Ende der Straße an der Klimastation (knapp unter 1.500 Meter) fuhr, dann wegen des drohenden Unwetters sehr zügig weiter zu Fuß über das Watzmannhaus (1.900 Meter) zum Hocheck (2.651 Meter) aufstieg, dort bereits gegen 17.45 Uhr eintraf und sich im Eiltempo in nur einer halben Stunde bis zur Mittelspitze und bis 18.30 Uhr weiter zur Gruppe in Richtung Südspitze vorarbeitete. Da der 38-jährige Hamburger nach erster Einschätzung der Retter selbst nicht mehr gehen konnte, forderten sie neben der Trage umfangreich Personal und Sicherungsmaterial für den Abtransport nach, darunter auch die Bergwacht-Notärzte aus Berchtesgaden und Ramsau. Der Hüttenwirt unterstützte die Aktion, indem er die viele Ausrüstung mit der Materialseilbahn von den Fahrzeugen auf der Straße bis zum Haus fuhr, den Rettern gute 500 Höhenmeter Tragepassage ersparte und mitten in der Nacht mit Brotzeit und Getränken für Stärkung sorgte. Alle verfügbaren Einsatzkräfte der Bergwacht Ramsau waren bereits im Aufstieg; zusätzlich ließ der Einsatzleiter gegen 16.45 Uhr zur Unterstützung die Nachbar-Bereitschaft Berchtesgaden nachalarmieren. Die drei Unverletzten und nur erschöpften Männer waren nach Erstversorgung durch die Retter dann fit genug, dass sie ab 19 Uhr nacheinander in Richtung der Hocheck-Wetterschutzhütte geführt werden konnten.
Gegen 20 Uhr versuchte die Besatzung des Pongauer Notarzthubschraubers noch einen Rettungsflug – ein Tau-Einsatz war nicht mehr möglich, da der letzte wolkenfreie Tallandeplatz an der Basis in Sankt Johann viel zu weit entfernt lag. Die Besatzung flog zurück, räumte die Maschine so weit wie möglich aus und flog dann erneute an, um den Patienten schwebend über die Kufe vom Grat abzuholen, wobei der Pilot nach dem Anflug übers Wimbachgries auf Höhe des Mittelspitz-Gipfels wegen der starken Windböen abbrechen musste. Während ein Großaufgebot an Einsatzkräften bereits die Seilversicherungen für einen aufwendigen, bodengebunden Abtransport in der Trage über den alpinen, stellenweise sehr steilen und ausgesetzten Grat vorbereitete, schaffte es der Notarzt unerwartet, den Patienten so weit zu stabilisieren, dass er gegen 22 Uhr sehr langsam und mit Unterstützung der Retter in Richtung Mittelspitze losgehen konnte; gleichzeitig erreichten bereits die ersten beiden Unverletzten bei einsetzendem Regen und immer wieder starken Windböen das sichere Watzmannhaus; eineinhalb Stunden später der dritte Unverletzte. Gegen 23.15 Uhr war dann die komplette Strecke zwischen der Einsatzstelle und dem Hocheck mit Fixseilen versichert, wobei der Patient um kurz nach 0.30 Uhr an der Wetterschutzhütte ankam und dort mit vier Bergrettern übernachten musste. Wegen der Starkregenfälle war kein weiterer sicherer Patienten-Abtransport zum Haus mehr möglich, so dass die Bergwacht nur noch die kompletten Sicherungen abbaute, das gesamte Material am Hocheck sammelte und zurückließ und sehr zügig zum Haus abstieg. Zwischen 3 und 4.15 Uhr kam ein Großteil der Retter im Tal an.
Um 6 Uhr in der Früh startete dann die Vierer-Gruppe mit dem am Seil gesicherten und durch Helfer gestützten Verletzten von der Hocheck-Hütte zum Abstieg Richtung Watzmannhaus; unterwegs versuchten die Retter sich etwas vom Wind ausgesetzten Grat zu entfernen, um trotz der immer noch starken Böen einen Heli-Anflug zu ermöglichen. Die Besatzung des Traunsteiner Rettungshubschraubers „Christoph 14“ startete um kurz nach 7 Uhr in der Früh und konnte dann tatsächlich während einer kurzen Wolkenlücke bei immer noch anspruchsvollen Flugbedingungen den Patienten und die drei Retter mit der Winde aufnehmen und zum Watzmannhaus bringen. Für den Patienten und einen Retter gings weiter ins Tal; die restlichen drei Bergretter mussten wegen des wieder aufziehenden Nebels zu Fuß absteigen und waren um 10 Uhr vormittags wieder an der Rettungswache. Insgesamt waren 31 Bergretter und zwei Helis zum Teil mehr als 19 Stunden durchgehend gefordert.
Neben dem aufwendigen Einsatz war die Bergwacht Ramsau am Dienstagnachmittag (13. Juli) zusammen mit dem Landrettungsdienst des Roten Kreuzes im Zauberwald am Hintersee im Einsatz, wo sich ebenfalls gegen 15 Uhr eine 50-jährige Urlauberin aus Nordrhein-Westfalen schwer am Sprunggelenk verletzt hatte. Die Berchtesgadener Notärztin, die Notfallsanitäter und die Bergretter versorgten die Frau, brachten sie vom Fußweg zum Rettungswagen und dann in die Kreisklinik Bad Reichenhall. Am späten Montagnachmittag (12. Juli) gegen 17.20 Uhr brauchte wieder ein unverletzter Bergsteiger auf der Hochkalter-Überschreitung Hilfe, da er im Ofental so erschöpft war, dass er selbst nicht weiter absteigen konnte. Die Bergwacht Ramsau und die Besatzung des Traunsteiner Rettungshubschraubers „Christoph 14“ fanden den Mann, nahmen ihn per Winde auf und flogen ihn ins Tal.