Bergwacht Chiemgau stellt ihre neue 35.000 Euro Hochleistungsdrohne für Vermisstensuchen im Gelände vor
Spezialisten der Bergwacht haben sich bei Natur-Katastrophen bewährt - Landkreise Berchtesgadener Land und Traunstein steuern jeweils 5.000 Euro aus ihrem Katastrophenschutz-Haushalt bei
BERCHTESGADENER LAND/LANDKREIS TRAUNSTEIN (ml) – Die Bergwacht-Region Chiemgau hat am Donnerstagnachmittag am Unternberg bei Ruhpolding mit den beiden Landräten Bernhard Kern und Siegfried Walch und dem Ehrenvorsitzenden der Bergwacht Bayern, Alois Glück, ihre neue rund 35.000 Euro teure Hochleistungsdrohne für Vermisstensuchen im alpinen und unwegsamen Gelände vorgestellt. Die beiden Landkreise haben das Gerät mit jeweils 5.000 Euro aus ihren Katastrophenschutz-Haushalten mit finanziert und unterstützen damit die von Einheimischen und Gästen wertgeschätzte Arbeit der Bergwacht, die mit der neuen „Matrice M300 RTK“ des Weltmarkt-Führers DJI seit Januar bereits sieben Mal im Einsatz war, darunter bei sechs Vermisstensuchen und einer Ortung eines Verstiegenen.
„Der Bergsport boomt mittlerweile ganzjährig – deshalb eine für uns wichtige Anschaffung, die nicht nur für den Fall der Fälle im Keller steht, sondern in Spitzen-Zeiten mehrmals pro Woche in der Luft ist und uns hilft, Vermisste und Verletzte rechtzeitig zu finden“, betont Bergwacht-Regionalleiter Dr. Klaus Burger, der zusammen mit seinem Ressortleiter Einsatz Andreas Zenz und Regionalgeschäftsführer David Pichler den beiden Landräten die personelle und technische Leistungsfähigkeit der Bergwacht insbesondere bei Suchen und bei Natur-Katastrophen verdeutlichte und ausdrücklich weiteren regionalen Firmen und Spendern dankte, die mit kräftigen Finanzspritzen den für Vermisste mitunter lebensrettenden Flug-Roboter ermöglicht haben.
Flugzeit, Reichweite und optische Ortung deutlich verbessert
Haupt-Problem war bisher, dass der Akku der eingesetzten Drohnen je nach Wind und Temperatur teilweise recht schnell erschöpft war; der Pilot musste den Multicopter dann immer wieder zum Akku-Wechsel zwischenlanden, was sich insgesamt negativ auf Reichweite und Genauigkeit ausgewirkt hat. „Wenn ich ständig weiß, dass ich nur noch wenige Minuten in der Luft bleiben kann und die teure Drohne ohne Absturz noch sicher zum Landeplatz zurückkehren soll, komm ich ganz schön ins Schwitzen und kann mögliche Ortungen nicht mehr so genau unter die Lupe nehmen, wie es eigentlich sinnvoll wäre“, erklärt Alex Beaury, ehrenamtlicher Chef der Bergwacht-Technikgruppe, die für das Fachgebiet Lokalisation, Kommunikation, Lagedarstellung und Dokumentation (LKLD) verantwortlich zeichnet und die örtlichen Bereitschaften in den Berchtesgadener und Chiemgauer Alpen auf Anforderung bei Suchen aus der Luft unterstützt.
Mit der neuen Drohne haben die Ehrenamtlichen ganz andere Möglichkeiten: Sie ist für extreme Temperaturen zwischen -20 und +50 Grad isoliert und kann mit Kamera bis zu 43 Minuten durchgehend in der Luft bleiben, ohne Kamera sogar 55 Minuten. Insgesamt acht Akkus ermöglichen einen nahezu unterbrechungsfreien Flug. Insgesamt vier Kameras mit unterschiedlichen Blickwinkeln und Perspektiven zeichnen gleichzeitig Foto und Video auf, darunter auch eine Piloten-Kamera und ein 24-Millimeter-Weitwinkel mit zwölf Megapixel Auflösung. Die Drohne kann live in die Einsatzzentrale übertragen und hat zur Kontrolle möglicher Ortungen ein 20-Megapixel-Zoom mit einer Brennweite von 32 bis 556 Millimeter, was digital unterstützt einer 200-fachen Vergrößerung oder einer Brennweite von unglaublichen 4.800 Millimetern entspricht; die Kamera kann auch im Nachtszenen-Modus betrieben werden. Eine weitere radiometrische Wärmebild-Kamera ermöglicht Suchen bei Dunkelheit und die Ortung von geringsten Temperatur-Unterschieden im Gelände, was sowohl bei der Suche nach vermissten Menschen und Tieren als auch bei der Ortung von Glutnestern bei Wald- und Vegetationsbränden hilfreich ist. Mit einem Laser können Entfernungen bis zu 1.200 Metern gemessen werden, wobei die Drohne automatisch die GPS-Koordinaten des anvisierten Objekts ausrechnet und übermittelt, so dass Helfer auch im unübersichtlichen Gelände zielgenau zum Einsatzort absteigen oder abseilen können.
Die Technik ist nur so gut wie die Spezialisten, die sie beherrschen
Die Technikgruppe verfügt darüber hinaus über eine sehr kompakte und leichte „DJI Mavik Air“ Drohne, die eine Suchmannschaft im Gelände im Rucksack mitnehmen kann, um bei Bedarf lokal schnell schwer einsehbare Gräben oder Wände abzusuchen, bevor sich Retter aufwendig abseilen müssen. Die bisherige „DJI Matrice 100“ mit Wärmebild-Kamera ist ebenfalls noch als Backup in Verwendung, hat nach jahrelanger intensiver Nutzung unter oft widrigen Verhältnissen mittlerweile aber ihr Soll erfüllt und vor allem hinsichtlich der Akku-Leistung das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Die ehrenamtlichen Spezialisten haben neben den Drohnen weitere technische Möglichkeiten zur Handy-Ortung und zur Live-Verfolgung von Suchmannschaften im Gelände, eine Satelliten-Anbindung und eine EDV-Ausstattung, mit der auch abseits regulärer Infrastruktur ein Führungsstab mit vier Büro-Arbeitsplätzen betrieben werden kann, ein Teleskop zur Flächensuche vom Tal aus und moderne Funk-Technologie zur Kommunikation mit anderen eingesetzten Einheiten. „Die gesamte Technik ist immer nur so gut, wie die Spezialisten, die sie beherrschen und regelmäßig verwenden. Alex Beaury und sein Team haben während der vergangenen Jahre sehr viel Praxis-Erfahrung gesammelt und immer wieder auch schwierige Aufgaben gelöst. Sie sind zu jeder Tages- und Nachtzeit da, wenn wir sie in den Bereitschaften vor Ort zur Unterstützung bei oft auch zeitkritischen Einsätzen mit Verletzten oder Unterkühlten im Gelände brauchen, die wir finden müssen, bevor sie sterben. Sie sind unsere mittlerweile unverzichtbaren Lebensretter am Bildschirm - dafür verdienen sie höchsten Respekt!“, lobt Bergwacht-Regionalleiter Dr. Klaus Burger.
154 Einsätzen in acht Jahren
Die Technikgruppe der Bergwacht hat sich in den vergangenen acht Jahren bewährt: Das aktuell aus elf Ehrenamtlichen bestehende Team ist seit 2014 im Dienst, wobei der elftägige Riesending-Höhleneinsatz am Untersberg der erste Einsatz war. Die Spezial-Einsatzkräfte kommen aus den Bereitschaften Traunstein (6), Bergen (3), Grassau (1) und Marquartstein (1); unter ihnen sind drei ausgebildete Drohnen-Piloten und fünf Einsatzleiter. Bisher wurden die Spezialisten insgesamt 154 mal alarmiert, darunter 77 Einsätze im Berchtesgadener Land und 68 im Landkreis Traunstein, aber auch überregionale Einsätze für die benachbarten Landkreise und in Österreich. Insgesamt gibt es bayernweit neun LKLD-Teams, die standardisiert arbeiten und sich bei mehrtägigen Einsätzen im Schicht-Betrieb auch untereinander ablösen können. Insgesamt war die heimische Technikgruppe bisher bei 100 Vermisstensuchen, für 17 verstiegene und blockierte Bergsteiger und bei zwölf weiteren Abklärungen im Einsatz, beispielsweise nach unklaren Lichtquellen-Sichtungen am Berg, angeblichen Hilfe-Rufen, mutmaßlichen Gleitschirm-Abstürzen, möglichen Wandbränden und einem Stromausfall an der Rauschbergbahn; drüber hinaus bei acht Katastrophen-Einsätzen, sechs Waldbränden, fünf Lawinen-Abgängen, drei Tier-Rettungen, drei Flugunfällen mit Flugzeug, Gleitschirm und Drachenflieger und zwei Höhlen-Einsätzen.
Dr. Klaus Burger berichtete den beiden beeindruckten Landräten von den umfangreichen personellen und technischen Möglichkeiten der Bergwacht und ihrer spezialisierten Gruppen, die mittlerweile ein nicht mehr verzichtbarer Akteur auch in komplexen Katastrophen-Einsätzen ist und sich in den vergangenen Jahren bei Hochwassern, Waldbränden, massivem Schneefall und Lawinen immer wieder bewährt hat: „Wir müssen oft unter widrigen Bedingungen dort anfangen, wo alle anderen aufhören und mit ihren Möglichkeiten am Ende sind. Das motiviert uns, bedeutet aber zugleich auch große Verantwortung, die sich dank der guten moralischen und finanziellen Unterstützung deutlich leichter tragen lässt!“
Weitere Möglichkeiten durch Recco-SAR
Neben der Hochleistungsdrohne nutzt die Bergwacht Chiemgau auch als einer von bisher nur zwei Standorten in ganz Deutschland zur Suche das Radar-Ortungssystem „Recco SAR“, das als Sender und Empfänger am Lasthaken des Polizeihubschraubers befestigt und vom Bergretter im Heli bedient wird. „Die Bergwacht Bayern verspricht sich durch den Einsatz des neuen Ortungssystems aus der Luft bessere Erfolgsaussichten bei besonders schwierigen Suchen nach Vermissten und Verunglückten“, erklärt Burger, der selbst auch in der Bedienung des Geräts geschult ist. Die Bergwacht Chiemgau verfügt seit November 2021 über einen von aktuell bundesweit zwei Hubschrauber-Detektoren und hat ihn zentral bei der Bergwacht Bad Reichenhall stationiert. Zehn heimische Bergretter sind zu Operatoren in den Helis der Polizeihubschrauberstaffel Bayern ausgebildet worden. Für eine erfolgreiche Suche ist es notwendig, dass der Vermisste einen so genannten Recco-Reflektor bei sich führt, der das Radar-Signal des Senders reflektiert und an den Empfänger am Gerät zurückwirft. Diese Reflektoren sind leicht, klein, können in Kleidung vernäht oder als Zusatz-Ausrüstung mitgeführt werden und benötigen keine eigene Strom-Versorgung. Sie sind mittlerweile nicht mehr nur in Wintersport-Bekleidung und -ausrüstung zu finden, sondern zunehmend auch in Produkten für sommerliche Outdoor-Unternehmungen eingebaut, darunter Bergschuhe, Helme, Klettergurte oder auch Rucksäcke. 28 solcher Heli-Detektoren sind bisher weltweit stationiert, darüber hinaus wesentlich mehr tragbare Handsuch-Geräten, seit vielen Jahren vor allem in Wintersportgebieten.