Bergwacht & Feuerwehr üben an der Schwarzbachschlucht mit dem Drehleiter-Seilzug-System
SCHNEIZLREUTH/UNTERJETTENBERG (mg/ml) – Ehrenamtliche Einsatzkräfte der Bergwacht und der Freiwilligen Feuerwehr Bad Reichenhall haben nach dreijähriger Pandemie-Pause auf der Schwarzbachbrücke bei Unterjettenberg wieder mit dem Drehleiter-Seilzug-System geübt, das 2006 der damalige Bergwacht-Ausbildungsleiter Hans Lohwieser federführend ausgetüftelt und realisiert hatte, nachdem immer wieder aufwendige Rettungen aus Schluchten stattfanden, bei denen wetter- oder geländebedingt kein Heli fliegen konnte (wir berichteten).
„Die Pandemie hatte auch erhebliche Auswirkungen auf die Aus- und Fortbildungen der Rettungsorganisationen; viele Übungen waren wegen der Kontakt-Beschränkungen und Ansteckungsgefahr schlichtweg nicht möglich. Heuer holen wir viel nach und die vielen Teilnehmer zeigen, wie groß das Interesse ist“, freut sich Bergwacht-Pressesprecher Marcus Goebel. 17 Bergretter und vier Feuerwehrleute aus Bad Reichenhall nahmen an der Übung teil, wobei die jüngeren Kameraden und Anwärter das eigentlich recht schnell montierte und in der Handhabung auch unkomplizierte System teilweise zum allerersten Mal praktisch ausprobieren konnten. Rund zwei Stunden lang fanden mehrere Durchläufe statt, bei denen die Bergretter die Rollen durchtauschten und sich die Maschinisten der Feuerwehr abwechselten, damit im Ernstfall jeder alles bedienen kann.
Mit Hilfe der Feuerwehr-Drehleiter kann ein Patient aus tiefen Schluchten oder hohen, oben offenen Behältern wie Silos oder Gruben gerettet werden. Einzige Voraussetzung ist, dass das Drehleiter-Fahrzeug bis auf 15 Meter an die Einsatzstelle heranfahren können muss, damit die maximale horizontale Belastung der ausgefahrenen Leiter mit zwei Rettern und einem Patienten am Seil nicht überschritten wird. Ein Bergretter im Korb der Drehleiter behält den Gesamt-Überblick, koordiniert den Einsatz und weist den Maschinisten und seine Kameraden an den Seilklemmen und am Seilende an. „Da die ausgefahrene Leiter hoch über dem Abgrund durch die Bewegungen durchaus etwas schwankt, ist so ein Einsatz auch für versierte Bergsteiger ungewohntes Terrain, da wir es eigentlich gewohnt sind, Fels oder Schnee unter den Füßen zu haben“, berichtet Goebel.
Das 200 Meter lange Statikseil läuft an beiden Enden des Leiterkrans durch zwei Umlenkrollen mit Rücklaufsperre. Im Einsatzfall wird der Korb der Drehleiter direkt oberhalb der Unfallstelle platziert, wobei Bergwacht-Retter und Notarzt über das Seil bis zu 170 Meter tief zum Patienten abgelassen werden und sofort mit der medizinischen Erstversorgung beginnen können. Ist der Verletzte für den Abtransport stabilisiert und in der Trage, im Rettungssack oder im Rettungssitz am Seil gesichert, so fährt der Feuerwehr-Maschinist den Leiterkran weiter aus, wodurch das Seil ein Stück nach oben gezogen wird. Wird die Leiter im Anschluss wieder auf die vorherige Position eingefahren, so verbleibt das Seil aufgrund der Rücklaufsperre in seiner Position und kann hinter der oberen Umlenkrolle im schlaffen Zustand ohne Kraftaufwand eingezogen werden. Indem der Vorgang mehrmals wiederholt wird, können der Verletzte und seine Retter ohne Muskelkraft Stück für Stück nach oben gezogen werden. Zuvor mussten die Patienten in einer Gebirgstrage oder im Schleifkorb über den steinigen Hang zur Bundesstraße hochgezogen werden, wobei die Helfer mit Hindernissen wie Sträuchern und Ästen zu kämpfen hatten. Das Verfahren mit dem Drehleiter-Kran ist für die oft schwer Verletzten weitaus schonender und verschafft den Rettern einen oft entscheidenden Zeitvorteil. Aus Sicherheitsgründen wurde mit einem zweiten Seil auch eine Redundanz in das System eingebaut.
Während der vergangenen 17 Jahre wurde das System immer wieder eingesetzt, in den letzten Jahren aber erheblich weniger, da mittlerweile mehr Helis mit Rettungswinde zur Verfügung stehen, die aber auch nur fliegen können, wenn Wetter und Gelände passen. „Genau deshalb ist es so wichtig, dass wir es mindestens einmal jährlich intensiv üben können“, betont Goebel.