Bergwacht Teisendorf-Anger hat 150.000 Euro für Rettungsfahrzeug-Garage beisammen und wartet auf den Baubeginn
TEISENDORF/ANGER (ml) – Die ehrenamtliche Bergwacht-Bereitschaft Teisendorf Anger hat Dank der großzügigen Spendenbereitschaft und der Solidarität der einheimischen Bergsteiger-Gemeinschaft, der Gemeinden und regionaler Firmen mittlerweile die 150.000 Euro für den Bau ihrer Rettungsfahrzeug-Garage mit Lagerraum am Angerer Feuerwehrhaus zusammen. Bereitschaftsleiter Robert Reiter ist optimistisch, dass er und sein Team mit viel handwerklicher Eigenleistung trotz der in den vergangenen beiden Jahren förmlich explodierten Baukosten damit hinkommen und vielleicht sogar noch heuer aus der Notunterkunft im Aufhamer Bauhof in ihr neues Zuhause umziehen können. Bei ihrer Jahreshauptversammlung im Teisendorfer Alpenvereinsheim blickten die aktuell 46 Mitglieder auf ein forderndes und turbulentes Jahr mit insgesamt 70 Einsätzen zurück und zeichneten ihren Kameraden Ludwig Welkhammer für 70 Jahre Ehrenamt mit dem goldenen Ehrenzeichen der Bergwacht aus.
Bergwacht-Urgestein und Hausmeister Hias Eder lobte seinen Kameraden Ludwig Welkhammer als „hartgesottenes und zähes Stehauf-Männchen“ und berichtete von einem schweren Arbeitsunfall an der A8-Loithalbrücke, bei dem der schwer verletzte und damals noch junge Welkhammer von den Ärzten bereits aufgegeben worden sei, aber sich wider Erwarten ins Leben zurückgekämpft habe. Sinnbildhaft stehe er für das, was die Bergwacht auch ausmacht: „Der Dienst ist nicht immer nur schön und angenehm, man muss sich auch überwinden und diese Einstellung einfach leben!“ Reiter gedachte an den bereits im Oktober 2021 verstorbenen Bergretter Wilhelm Maier – weit über den Teisenberg hinaus bekannt als der Kohlhäusl-Willi. Von den 46 Mitgliedern sind 28 aktiv im Bergrettungsdienst; sieben weitere sind Anwärter und die restlichen Elf unterstützen im Hintergrund und übernehmen vielfältige Aufgaben, damit das mittelständische Unternehmen Bergwacht Teisendorf-Anger das ganze Jahr über zuverlässig und reibungslos läuft. Neun (2021: 11) Einsätze fanden im eigenen Gebiet am Teisenberg statt; 40 (2021: 33) gemeinsam mit der Reichenhaller Bergwacht in den Bergen rund ums Saalachtal; elf (2021: 0) weitere im Pistenvorsorgedienst, sechs im Kriseninterventionsdienst (KID) und vier bei sonstigen Einsätzen, darunter ein Lawinenabgang und eine Suche im Hochkalter-Gebiet und am Rauschberg, bei denen Jörg Riechelmann mit seinem Enzo gefordert war. Daniela Neubauer hat mittlerweile mit ihrer Shana auch die B-Prüfung bestanden und kann als zweites Hundeteam der Bereitschaft zu Einsätzen ausrücken. Reiter lobte das außergewöhnliche Engagement der beiden Hundeführer, die täglich mehrere Stunden in ihren Vierbeiner investieren, damit er stets fit für den Einsatz ist: „Sowas macht man nicht einfach nur nebenbei, dafür lebt man!“
Reiter berichtete von besonderen Einsätzen, darunter die Rettung eines am 13. März verstiegenen 21-Jährigen abseits des Goldtropfsteigs am Hochstaufen, der mit dem nachtflugtauglichen Außerferner Notarzthubschrauber „RK2“ gerettet wurde. Am 19. März mussten dann zwei junge Leute mit dem Polizeihubschrauber vom Hochstaufen aus Bergnot geholt werden. Am 22. Juni versorgte die Bergwacht einen 58-jährigen Radler, der sich am Teisenberg überschlagen hatte und mit dem Salzburger Notarzthubschrauber per Tau ausgeflogen werden musste. Am 30. Juni musste die Bergwacht nach einem schweren Gewitter zusammen mit dem Polizeihubschrauber zwei Kletterer nachts aus der Untersberg-Gurrwand ausfliegen, da sie sich selbst nicht mehr abseilen konnten. Am 21. August steckte an der Lattenbergalm ein Kalb zwischen zwei Bäumen fest; kurz darauf stürzte in der Speik ein 64-jähriger Mann acht Meter tief ab, der dann im letzten Tageslicht mit dem Salzburger Notarzthubschrauber per Tau ausgeflogen wurde. Am 2. September passierte wieder ein schwerer Radsturz am Teisenberg, wobei der 36-Jährige mit dem Traunsteiner Rettungshubschrauber weggeflogen wurde. Am 13. September war eine 72-Jährige an der Stoißer Alm zusammengebrochen, die die Bergwacht ebenfalls zusammen mit dem Traunsteiner Rettungshubschrauber versorgte und dann ins Tal fuhr. Am 6. Oktober war ein 35-Jähriger mit seinem Gleitschirm am Hochstaufen-Westgrat abgestürzt und schwer verletzt worden; die Bergwacht rettete ihn zusammen mit dem Traunsteiner Rettungshubschrauber. Am 16. Oktober verunglückte ein 35-jähriger Radler bei der Abfahrt von der Stoißer Alm so schwer, dass er mit dem Salzburger Notarzthubschrauber weggeflogen werden musste. Am 19. November musste die Bergwacht dann einen 20-jährigen Usbeken retten, der am winterlichen Hochstaufen in einen Schneesturm geraten war. Der Jahresabschluss für die Bergwacht Teisendorf-Anger war die Rettung eines 56-jährigen Ungarn, der am 30. Dezember mit zwei Kindern am Poschberg im Lattengebirge in Bergnot geraten war und mit dem Salzburger Notarzthubschrauber per Tau ausgeflogen werden musste.
Ausbildungsleiter Stefan Stadler ist mit der Leistung seiner Kameraden zufrieden, bedauerte aber, dass die Ergebnisse in den Prüfungen der Anwärter nicht so gut wie erhofft waren, was schlichtweg daran liegt, dass während der beiden Corona-Jahre einfach nicht so viel praktisch geübt werden konnte wie sonst: „Im Einsatz können wir aber auch nur Leute brauchen, die absolut handlungssicher sind!“ Da der Bergrettungsdienst extrem vielseitig ist, müssen die Ehrenamtlichen auch auf alle denkbaren Szenarien gut vorbereitet sein – entsprechend umfangreich sind die Ausbildungen, von denen Stadler mit vielen Bildern eindrucksvoll berichtete, darunter Gelände-Übungen am Staufen-Gletscher und bei Dunkelheit im Steilhang am Fuderheuberg, wo die Retter Seilversicherungen bauen und mit einer neuen Titan-Trage üben konnten. Zwei Bergretter machen derzeit ihre Ausbildung zum Rettungssanitäter und eine Bergrettern qualifiziert sich zur Krisenberaterin im KID weiter.
„Aktuell haben wir wegen dem Bauprojekt den höchsten Kontostand, seit es uns gibt, wobei es die Ausnahme bleiben dürfte, dass wir pro Jahr im Schnitt 50.000 Euro gespendet bekommen“, scherzte Reiter, der guter Dinge ist, dass die Bergwacht mit der Summe auskommt, wenn alle mit anpacken und durch handwerkliche Eigenleistung die Kosten senken. „Ohne Spenden wäre der Bau aber nicht möglich, da wir ja auch die laufenden Kosten finanzieren müssen.“ Kassier Sabine Aschauer berichtete von rund 24.500 Euro an Ausgaben, darunter über 4.000 Euro für Kleidung und Ausrüstung, fast 5.000 Euro für die Fahrzeuge, rund 2.700 Euro für Versicherungen, 4.700 Euro für Verpflegung und Getränke bei den vielen Fortbildungen und Treffen, 870 Euro für Fahrtkosten, fast 1.200 Euro für medizinische Verbrauchsmittel, über 1.700 Euro für neue Dachschindeln, die Daniel Pickl ehrenamtlich am Depot in Teisendorf angebracht hat, 4.000 Euro für eine gebrauchte Gebirgstrage aus Tirol und rund 850 Euro für Strom und Wasser. 2022 bekam die Bergwacht über 74.000 Euro an Spenden und Zuschüssen, darunter allein 40.000 Euro vom Markt Teisendorf für den Bau, über 5.000 Euro vom Wirtschaftskreis Anger-Aufham, jeweils über 1.500 Euro von der Sparkasse und von den Thundorfer Bäuerinnen und weitere 1.000 Euro vom Bergsportbund Teisendorf.
Teisendorfs zweite Bürgermeisterin Sabrina Stutz lobte die Bergwacht für ihre Arbeit im Dienst der Einheimischen und Gäste und betonte den hohen Stellenwert, den der Freizweitwert der Berge gerade in den Krisenzeiten für viele Menschen habe und wie durch zusätzlichen Leute aber auch der Druck auf die ehrenamtlichen Bergretter steigen würde, die mehr denn je gefordert seien. Ihr Angerer Amtskollege Lenz Dießbacher entschuldigte sich für die Verzögerungen, die beim Bau-Projekt über die letzten Jahre entstanden seien und über die er sich selbst geärgert habe und lobte das „grimmige Miteinander“ mit der Feuerwehr im gemeinsam genutzten Gebäude. Er sei guter Dinge, dass 2023 nun endlich alles über die Bühne geht. Der Reichenhaller Bergwacht-Bereitschaftsleiter Stefan Strecker und der Freilassinger Alt-Bereitschaftsleiter Siegi Fritsch dankten für das gute Miteinander bei gemeinsamen Einsätzen und Übungen und brachten ihre große Wertschätzung für die Leistung und Unterstützung der Bereitschaft Teisendorf-Anger zum Ausdruck – so ein Zusammenspiel von drei Bereitschaften in einem Einsatzleitbereich sei bayernweit einzigartig.