Fast neun Prozent mehr: Rettungsdienst und Krankentransport des Roten Kreuzes leistet im zweiten belastenden Corona-Jahr 2021 23.174 Einsätze
Steigerung um 1.849 Fahrten – viele infektiöse Patienten – erneut hoher Materialverbrauch für Schutzausrüstung und körperlich-psychische Belastung durch Ungewissheit bei jedem Einsatz
BERCHTESGADENER LAND (ml) – Der Rettungsdienst und Krankentransport des Roten Kreuzes im Berchtesgadener Land war im für die Retter erneut anspruchsvollen zweiten Corona-Jahr 2021 bei insgesamt 23.174 Einsätzen gefordert – 1.849 und damit fast neun Prozent mehr als 2020, wobei die 13 Fahrzeuge mit fast 57.000 zusätzlichen Kilometern auch über acht Prozent mehr Wegstrecke zurücklegten; durchschnittlich sind das pro Einsatz wie im Vorjahr rund 32 Kilometer. Im Schnitt rückte der Rettungsdienst des Landkreises über 63-mal pro Tag aus (2020: 59).
Während im ersten Corona-Jahr 2020 über Monate hinweg deutlich weniger Notfälle und auch Krankentransporte anfielen, da lange Zeit die Touristen in der Region fehlten, viele Menschen weniger aktiv und viel vorsichtiger als sonst waren und die meisten ambulanten Behandlungen verschoben wurden oder sogar ausfielen, war 2021 die meiste Zeit über ein einsatzreiches Jahr, das sogar das Vor-Pandemie-Niveau von 2019 um über 300 Einsätze übertraf. 2021 fanden insgesamt 3.702 Notarzt-Einsätze (fast zehn Prozent mehr), 3.059 Notfalleinsätze (über fünf Prozent mehr - Rettungswagen ohne Notarzt), 9.440 Krankentransporte (über sieben Prozent mehr) und 7.090 weitere, nicht abrechenbare Einsätze statt, darunter Hilfeleistungen ohne Patienten-Transport, Gebietsabsicherungen und Abstellungen zur Absicherung größerer Einsätze.
Zusätzliche körperliche und psychische Belastung durch die Corona-Pandemie
„Über viele Sommer-Monate hinweg war Corona für die Bevölkerung schon fast wieder vergessen, bis wir dann im Herbst mit speziell in unserer Region überdurchschnittlich vielen Erkrankten und einem erneuten Lockdown erneut von der bitteren Realität eingeholt wurden“, erinnert sich Bereichsleiter Markus Zekert, der auch die körperliche und psychische Belastung seiner Mitarbeiter betont: „Wir müssen aktuell noch immer bei jedem Einsatz davon ausgehen, dass der Patient ansteckend sein könnte, wobei die zusätzlichen Schutz- und Hygiene-Maßnahmen Zeit kosten und jeder Einsatz körperlich wie psychisch zusätzlich belastet, da wir zunächst nie sicher wissen, ob jemand ansteckend ist!“ Für die Rotkreuzler war es im letzten Quartal des vergangenen Jahres über Wochen hinweg vor allem auch schwierig, ihre schwer oder sogar lebensgefährlich verletzten und erkrankten Notfall-Patienten zeitnah in einer noch aufnahmefähigen Klinik in der Region unterzubringen, da durch die vielen Corona-Patienten vor allem die Intensiv-Kapazitäten bis ans äußerste Limit erschöpft waren. Die Situation war sehr angespannt und fürs Personal belastend und konnte nur von Tag zu Tag immer wieder entschärft werden, indem Patienten mit Fahrzeugen und Hubschraubern teilweise über sehr weite Strecken in andere, weniger belastete Regionen verlegt wurden.
Fast 19 Erdumrundungen
Das BRK betreibt im Landkreis acht Rettungswagen (RTW), fünf Krankenwagen (KTW) und drei Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF), darunter drei Ersatz-Fahrzeuge – alle sind mittlerweile mit Allrad ausgestattet, was sich vor allem während der Tage mit massiven Schneefällen sehr bewährt hat. Den größten Anteil an Rettungsdienst-Einsätzen machen mit über 70 Prozent internistische Notfälle aus; Verkehrsunfälle und andere chirurgische Einsätze nehmen im Verhältnis einen immer geringeren Anteil ein. Die Retter haben vergangenes Jahr 746.745 Kilometer (über acht Prozent mehr) zurückgelegt und damit mit zusätzlichen 56.966 Kilometern insgesamt fast 19 Mal die Erde umrundet. Deutlich mehr Strecke als im Vorjahr haben dabei vor allem der Teisendorfer Rettungswagen (14.008 Kilometer mehr), der Freilassinger Rettungswagen (9.217) der erste Reichenhaller Rettungswagen (8.652), der Berchtesgadener Krankenwagen (7.162) und der zweite Freilassinger Krankenwagen (6.558) gemacht.
1.849 Einsätze mehr als im Vorjahr
Die größte Steigerung in der Zahl der Einsätze gab es bei den beiden Reichenhaller Rettungswagen (551 zusätzlich im Vergleich zum Vorjahr) gefolgt vom Teisendorfer Rettungswagen (348), dem Freilassinger Rettungswagen (247) und den beiden Berchtesgadener Rettungswagen (177). Die Reichenhaller, Freilassinger und Berchtesgadener Notarzteinsatzfahrzeuge hatten 232, 178 und 16 zusätzliche Einsätze. Bei den beiden Freilassinger Krankenwagen gab es eine Steigerung um 144 Einsätze, die beiden Krankenwagen aus Bad Reichenhall und Berchtesgaden hatten 35 und neun Einsätze weniger als im Vorjahr. Im direkten Vergleich aller Fahrzeuge hatte der erste Reichenhaller Rettungswagen 2021 die meisten Einsätze(3.624), gefolgt vom Freilassinger Rettungswagen (3.034), dem Teisendorfer Rettungswagen (2.353), dem ersten Berchtesgadener Rettungswagen (2.021), dem zweiten Reichenhaller Rettungswagen (1.990), dem ersten Freilassinger Krankenwagen (1.769), den beiden Notarztfahrzeugen aus Bad Reichenhall und Freilassing (jeweils 1.408), dem zweiten Freilassinger Krankenwagen (1.399), dem Reichenhaller Krankenwagen (1.198), dem zweiten Berchtesgadener Rettungswagen (1.065), dem Berchtesgadener Krankenwagen (963) und dem Berchtesgadener Notarzteinsatzfahrzeug (942). Die absolute Zahl der Einsätze bildet aber nie den tatsächlichen Zeit-Aufwand und die Auslastung ab, da die Fahrzeuge unterschiedlich weit und lange unterwegs sind und in ihren jeweiligen Schichten nicht alle rund um die Uhr in Betrieb sind.
Viele nicht verrechenbare Einsätze
7.090 Fahrten waren nicht verrechnungsfähig (über zehn Prozent mehr als 2020), darunter 3.670 Notarzteinsatzfahrzeug-Fahrten (abgerechnet wird nur der Patienten-Transport), 1.366 nicht verrechenbare Einsätze, 971 Fehlfahrten, 798 Gebietsabsicherungen, 160 Dienstfahrten, 90 Werkstatt-Fahrten und 35 Notarzt-Zubringer. Das Rote Kreuz rückt auch aus, ohne das die Kosten für die Fahrt dann jemandem in Rechnung gestellt werden können – das ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich vor Ort herausstellt, dass trotz des Notrufs überhaupt kein Notfall vorliegt, der Patient einen Transport verweigert oder wenn die Notfallsanitäter lediglich zur Absicherung ausrücken, wenn es beispielsweise brennt oder der Einsatz keinem konkreten Patienten zugeordnet werden kann. „Die Meldungen im Notruf weichen manchmal stark von dem ab, was unsere Mitarbeiter dann vor Ort feststellen; das liegt daran, dass die Situation oft sehr subjektiv empfunden und bewertet wird und nicht immer einfach einzuschätzen ist, aber auch daran, dass die Hemmschwelle, die 112 in allen Lebenslagen zu wählen, definitiv gesunken ist“, erklärt Zekert. Die Retter müssen im Zweifelsfall bei unklaren oder fehlenden Informationen auf Nummer Sicher gehen, den Schilderungen im Notruf zunächst einmal glauben und immer ein Fahrzeug schicken; viele Einsätze stellen sich dann vor Ort aber rasch als weniger dramatisch dar. Problematisch ist aber, dass durch die hohe Zahl dieser Fehleinsätze Rettungsmittel gebunden sind, die womöglich dann bei echten Notfällen fehlen oder erst später eintreffen. „Bei Verdacht auf akute Erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt sollte man aber keine Hemmungen haben, auf jeden Fall sofort anrufen und sich von den fachkundigen Disponenten beraten lassen, damit im Ernstfall keine lebensrettende Zeit vergeht“, betont Zekert.
Die Zahl der so genannten Gebietsabsicherungen ist mit 798 nur geringfügig niedriger als 2020 (855), was daran liegt, dass die Besatzungen mit ihren Patienten tendenziell länger und weiter (2020 und 2021 im Schnitt 32 Kilometer pro Einsatz) unterwegs sind als noch vor ein paar Jahren, da die Kliniken spezialisierter und ausgelasteter sind und auch nicht jeden Patienten aufnehmen können. Sind beispielsweise alle Rettungsmittel aus Berchtesgaden bereits im Einsatz oder mit Patienten zu Kliniken unterwegs, schickt die Leitstelle einen Rettungswagen einer Nachbar-Wache zum Beispiel präventiv nach Hallthurm oder Bischofswiesen, damit die Besatzung von dort aus das ansonsten nicht mehr optimal versorgte Gebiet im südlichen Landkreis bei möglichen Folge-Einsätzen rascher erreichen kann.
42 Patienten bei Spitzen-Abdeckungen durch die ehrenamtlichen BRK-Bereitschaften
Bedingt durch Wetter, Tourismus, Verkehr und weitere Faktoren wie 2021 auch im zweiten Jahr die Corona-Pandemie gibt es immer wieder so genannte Einsatzspitzen mit besonders vielen Notfällen und Krankentransporten gleichzeitig, wobei die ehrenamtlichen BRK-Bereitschaften dann die reguläre Vorhaltung mit ihren eigenen Sanitätern und Fahrzeugen ergänzen. 2021 versorgten und transportierten sie 42 Patienten (2020: 36) – bei Unfällen, bei internistischen Notfällen sowie bei Engpässen im Krankentransport. „Dieses sinnvolle Plus an Sicherheit für die Menschen im Landkreis leisten wir ausschließlich ehrenamtlich; die zusätzlichen Fahrzeuge und Ausrüstung müssen aber nahezu komplett mit Spenden aus der Bevölkerung finanziert werden“, betont Kreisbereitschaftsleiter Florian Halter, der vor allem bei der schwierigen Finanzierung der Garagen zukünftig auf öffentliche Unterstützung hofft. Geografisch ist das Berchtesgadener Land aufgrund der Berge gerade im südlichen Landkreis von den Nachbarregionen abgeschnitten. Wenn alle regulären Rettungsmittel bereits im Einsatz sind, kann die Leitstelle deshalb auf die Schnell-Einsatz-Gruppen (SEG´n) zurückgreifen. Die BRK-Bereitschaften im Landkreis halten zur Ergänzung des Rettungsdienstes und für Großschadensfälle aller Art 21 zusätzliche Fahrzeuge, zehn Anhänger und umfangreiche Ausrüstung bereit, die - genauso wie die Aus- und Fortbildung der freiwilligen Sanitäter - fast ausschließlich über Spendengelder finanziert werden.
84 Hauptamtliche, neun Azubis, 33 Ehrenamtliche und eine Kollegin im Bundesfreiwilligendienst
Aktuell 84 hauptamtliche Sanitäter, zusätzlich neun Auszubildende und im Schnitt 33 Ehrenamtliche der BRK-Gemeinschaften besetzten im Schichtdienst bis 13 Fahrzeuge, die in der regulären Vorhaltung gleichzeitig im Dienst sind. Um den Rettungsdienst im Gebirge und an Gewässern kümmern sich die Ehrenamtlichen der Bergwacht im BRK und der BRK-Wasserwacht. Damit leistet das BRK im Berchtesgadener Land 100 Prozent der Einsätze und garantiert eine optimale Notfallversorgung der Bevölkerung. Derzeit sind 45 Hauptamtliche und zwei Ehrenamtliche als Notfallsanitäter aus- oder weitergebildet, wobei sich viele der bisherigen Rettungsassistenten mit bestandenen Ergänzungslehrgängen weiterqualifizierten und Berufseinsteiger die dreijährige Ausbildung komplett durchliefen. Bedingt durch die Pandemie war auch der Aus- und Fortbildungsbetrieb an den Rettungswachen zumindest zeitweise stark beeinträchtigt, so dass viele Lerninhalte über E-Learning und mehr Selbststudium vermittelt werden mussten. Seit Dezember 2019 hat der Ärztliche Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) den Notfallsanitätern offiziell geschulte und geprüfte Maßnahmen delegiert, darunter die eigenständige Gabe von ausgewählten Medikamenten – mit strengen Vorgaben zur Dokumentation und nachträglichen Überprüfung durch den ÄLRD. So dürfen die Notfallsanitäter bei oft sehr schmerzhaften isolierten Verletzungen der Extremitäten, wie einem Knochenbruch am Arm oder Bein, dem Notfallpatienten selbständig Schmerzmittel verabreichen oder bei akuten Atembeschwerden vernebelte Medikamente einatmen lassen. „Unsere Notfallsanitäter können damit wesentlich effektiver helfen als zuvor und müssen nicht warten, bis manchmal von weit her ein Notarzt eintrifft“, freut sich Ausbildungsleiter Hermann Scherer.
50 Ersatz-Fahrer in der Corona-Krise als Personalreserve geschult
Um einem eventuellen Engpass wie in Norditalien durch zu viele erkrankte Mitarbeiter in der Notfallversorgung und im Krankentransport vorzubeugen hat das Rote Kreuz zu Beginn des ersten Lockdowns insgesamt 50 Mitarbeiter aus dem Betreuten Fahrdienst, der BRK-Bereitschaften, der BRK-Wasserwacht und der Bergwacht im BRK mit E-Learning und Einweisungen vor Ort auf Fahrzeug, Ausrüstung und Hygiene als Ersatz-Fahrer von Krankentransportwagen geschult. Die Maßnahme war aufgrund der unklaren Lage-Entwicklung präventiv für eine mögliche Eskalationsstufe, in der die generelle Einsatzfähigkeit des Rettungsdienstes im Landkreis durch entsprechend viele COVID-19-Personalausfälle gefährdet gewesen wäre. „Wir sind froh, dass es 2020 und 2021 nicht so weit gekommen ist, bereiten uns aber immer so gut wie nur möglich auf denkbare Szenarien vor“, erklärt Kreisgeschäftsführer Tobias Kurz, der vor allem die elementaren Dienste für die Daseinsvorsorge gewährleisten will: „Uns ist wichtig, dass trotz der Krise auch über viele Wochen hinweg alle möglichst gut versorgt sind!“ Die Krisenstäbe der BRK-Kreisverbände sind mit weiteren Stäben auf Bezirks- und Landesebene eng vernetzt, tauschen sich laufend aus und steuern so auch gezielt über einen zentralen Einkauf die bestmögliche Versorgung mit zeitweise knappem Verbrauchsmaterial wie Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung. Durch einen zentralen strategischen Einkauf hat das Rote Kreuz so trotz des enormen Bedarfs und der Engpässe auf dem Weltmarkt vermieden, dass den Mitarbeitern in Rettung und Pflege die für ihre Arbeit unverzichtbare Schutz- und Hygiene-Ausrüstung ausgeht.