Große Nachfrage auf Vorjahres-Niveau: Soziale Dienste des Roten Kreuzes schlagen sich wacker im zweiten Corona-Jahr
BERCHTESGADENER LAND – Die Sozialen Dienste des Roten Kreuzes im Berchtesgadener Land mit der ambulanten Pflege, der Tagespflege und den Service-Diensten Betreuter Fahrdienst, Hausnotruf und Essen auf Rädern waren auch im zweiten vor allem für die Pflegekräfte äußerst anspruchsvollen Corona-Jahr überdurchschnittlich intensiv gefordert. „Wir wollen möglichst allen pflegebedürftigen Menschen im Landkreis auf qualitativ hohem Niveau helfen, können das aber nur, wenn auch genug Menschen in der Pflege arbeiten“, erklärt Pflegedienstleitern Evi Ksoll, die laufend immer wieder mit der schweren Entscheidung konfrontiert ist, welchen Patienten sie angesichts der fast immer ausgelasteten Teams noch in ihre Touren aufnehmen und gut versorgen kann.
Arbeitsaufwand auf Vorjahres-Niveau
„Wir sind dankbar, wie motiviert und kollegial sich unsere Teams auch in schwierigen Wochen gegenseitig ausgeholfen und unterstützt haben, wir achten aber trotz aller Dynamik darauf, die Kollegen nicht durch zu viele Patienten zu überfordern, da sich der Stress langfristig negativ auf Qualität und Gesundheit auswirken würde. Den Mitarbeitern soll der anspruchsvolle Job Spaß machen, damit sie gute Arbeit leisten können“, erklärt Ksoll. Mit über 123.000 (2020: 126.000) Hausbesuchen hat der ambulante Pflegedienst vergangenes Jahr hunderte pflegebedürftige Menschen zu Hause versorgt und betreut; die Zahl bewegt sich zwar auf dem bereits hohen Niveau vor der Corona-Pandemie, spiegelt aber nicht die erhebliche zusätzliche zeitliche, körperliche und auch psychische Belastung durch infektiöse Patienten, aufwendige Hygiene-Maßnahmen mit Mundschutz und weiterer Schutzausrüstung, die Organisation der regelmäßigen Tests und mittlerweile auch der Impf-Termine und den enorm gestiegenen Beratungsbedarf bei Patienten und Angehörigen wider. Das Rote Kreuz versucht im Schulterschluss mit den anderen ambulanten Pflegediensten im Landkreis, dass in der vor allem ländlich strukturierten Region auch niemand an abgelegenen Wohnorten auf der Strecke bleibt. Allein die Rotkreuzler in der ambulanten Pflege haben bei ihren Touren 2021 über 18.800 (2020: 18.600) Stunden nur im Fahrzeug verbracht, damit die Hilfe immer und überall ankommt.
Damit das alles klappt, müssen die Pflegekräfte sich von Tag zu Tag laufend auf oft stündlich veränderte Rahmenbedingungen einstellen, häufig sehr flexibel sein, kurzfristig improvisieren und praxisnahe Lösungen finden, damit jeder Patient trotz aller Umstände gut versorgt wird. „Das geht nur miteinander und mit viel Verständnis aller Beteiligten“, erklärt Ksoll, die interessierte Pflegefach- und hilfskräfte dazu aufruft, sich bei der Organisation zu bewerben und mitzuhelfen, der stetig sehr großen Nachfrage angesichts des unaufhaltbaren demografischen Wandels weiterhin gerecht werden zu können. Abstriche bei Qualität und Leistung kann und will sie nicht machen: „Dafür ist unsere Verantwortung den Patienten und vor allem auch unseren eigenen Mitarbeitern gegenüber zu groß!“ Wer Interesse hat, kann sich online unter www.brk-bgl.de/job bewerben. Auch die Fortbildung und der Experten-Austausch kamen trotz der Pandemie-Einschränkungen nicht zu kurz, fanden aber wie bereits 2020 häufig in Online-Meetings statt. Ksoll freut sich über zwei zusätzlich ausgebildete Wund-Experten in ihren Teams und neue Auszubildende, die ihre 400 Praxis-Stunden an der Seite erfahrener Kollegen im ambulanten Pflegedienst des Roten Kreuzes absolviert haben.
Notbetrieb in der Tagespflege
Die Tagespflege des Roten Kreuzes in der Freilassinger Vinzentiusstraße musste bereits während des Frühjahrs- und Herbst-Lockdowns 2020 über Nacht komplett schließen, hatte aber ab Mitte Mai 2020 in einem eingeschränkten Betrieb mit zunächst nur zehn und dann durchschnittlich der Hälfe der sonst bis zu 27 Gäste pro Tag geöffnet. „Enorm viel Organisationsaufwand mit täglich neuen Planungen, strengen Hygiene-Auflagen, täglichen Schnelltests und Masken-Pflicht in den behindertengerechten Spezialfahrzeugen des Hol- und Bringdienstes; für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Senioren wie auch zur Entlastung der pflegenden Angehörigen aber unglaublich wichtig!“, erklärt Bereichsleiterin Petra Jeuter.
Konstant hohe Nachfrage bei „Essen auf Rädern“
Der Menüservice „Essen auf Rädern“ verzeichnet mit über 20.000 gelieferten Menüs bei über 1.000 verschiedenen Kunden eine im Vergleich zum Vorjahr konstant hohe Nachfrage, die mit der Pandemie von 2019 auf 2020 um 13 Prozent gestiegen ist. „Die Senioren haben am Telefon erzählt, dass sie während der Lockdowns nicht wie gewohnt in die Gasthäuser konnten und auf Lieferdienste und Essen auf Rädern umgestiegen sind, da sie selbst nicht mehr jeden Tag kochen können und ihr Ansteckungsrisiko niedrig halten wollen“, berichtet Peter Mühlbauer, der Leiter des Servicedienstes.
860 Hausnotruf-Teilnehmer und 149 Hintergrunddienst-Einsätze
Im Berchtesgadener Land kümmern sich seit vielen Jahren Eric Wierzchowski und Jürgen Schmidt um die Installation und Wartung der aktuell 860 Geräte in den Wohnungen der Teilnehmer, wobei ein Hintergrunddienst der ehrenamtlichen BRK-Gemeinschaften und Mitarbeiter der Kreisgeschäftsstelle und des Betreuten Fahrdienstes bei Alarmen rasch zur Stelle sind und Helfer und Kontaktpersonen aus dem privaten Umfeld entlasten. 2021 hat das Rote Kreuz im Berchtesgadener Land 4.487 Hausnotruf-Alarme bearbeitet, darunter 365 medizinische Notfälle mit akut Erkrankten oder Verletzten, 809 an Kontaktpersonen im privaten Umfeld der Teilnehmer vermittelte Hilfeleistungen, bei denen die Teilnehmer unverletzt waren und beispielsweise nur eine Hebehilfe benötigten sowie 149 Einsätze des zum größten Teil ehrenamtlichen Hintergrund-Dienstes der BRK-Bereitschaften aus Ainring (47), Bad Reichenhall (18), Berchtesgaden (20), Freilassing (14) und Teisendorf (3) sowie der BRK-Wasserwacht-Ortsgruppen Freilassing-Ainring (14) und Laufen-Leobendorf (3); 44 Einsätze haben Mitarbeiter des Betreuten Fahrdienstes und der Kreisgeschäftsstelle übernommen. Mit Hilfe eines Alarmknopfs, der am Handgelenk oder als Kette getragen wird, können die Teilnehmer beispielsweise nach einem Sturz mit einem Knopfdruck fachgerechte Hilfe verständigen. Die Nachfrage ist groß, da viele ältere Menschen alleine leben und die Kinder nicht am Ort sind. „Mit unseren im gesamten Landkreis ortsnah aktiven Ehrenamtlichen und dezentral und anonymisiert hinterlegten Wohnungsschlüsseln in zugangsgesicherten Schränken von sechs Rotkreuz-Unterkünften sorgen wir für mehr Sicherheit, fördern ein selbständiges Leben in den eigenen vier Wänden und ergänzen und entlasten das private Umfeld der Teilnehmer“, erklärt Wierzchowski.
16.600 Aufträge im Fahrdienst
Der Betreute Fahrdienst für Patienten, Senioren und Menschen mit Behinderungen war bis zum dritten Quartal mit durchschnittlich 20 und danach nur noch mit 16 Spezialfahrzeugen unterwegs; die Vorhaltung wurde reduziert, da bei öffentlichen Ausschreibungen zur Beförderung von Menschen mit Behinderungen sechs bisher vom Roten Kreuz durchgeführte Touren von privaten Anbietern übernommen wurden. „Zuverlässigkeit ist unser oberstes Gebot – was wir vereinbaren, das erfüllen wir auch. Wir haben bei Vertragslaufzeiten von bis zu sechs Jahren alle Risiken mit Steigerung von Personal-, Treibstoff- und Fahrzeugkosten so realitätsnah wie nur möglich prognostiziert und in die Angebote eingerechnet, da wir als öffentlich-rechtliche Organisation große Verantwortung tragen und enorme Verluste vorab ausschließen müssen. An staatlichen Ausschreibungen, bei denen ausschließlich der Preis, und nicht die Qualität der Leistung bewertet wurde, haben wir uns nicht mehr beteiligt, da eine derartige Entwicklung für uns nicht mit der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gegenüber Menschen mit Behinderungen vereinbar ist“, betont Kreisgeschäftsführer Tobias Kurz. Allein die aktuell gravierende Entwicklung der Treibstoff-Preise, der weltweite Mangel am Fahrzeug-Markt und die steigende Inflation hätte noch vor zwei Jahren niemand in dieser Dimension erwartet.
Der Fahrdienst war 2021 bei insgesamt über 16.600 (2020: 15.600) Aufträgen gefordert und hat dabei rund 435.000 (2020: 386.000) Kilometer zurückgelegt, also fast elfmal die Erde umrundet. Über 7.300 (2020: 4.000) Fahrten führten die über 50 Minijob- und Teilzeit-Fahrer mit bis zu acht Fahrgästen pro Tour im Linienfahrdienst für Tagespflege und Behinderteneinrichtungen durch; fast 7.400 (2020: 6.000) als Einzel-Transporte von Patienten, Senioren und Menschen mit Behinderungen, daneben zahlreiche interne, organisatorische Aufträge wie Besorgungen, Materialtransporte und Werkstattfahrten für Vertragspartner und andere Abteilungen des Roten Kreuzes wie die ambulante Pflege, Essen auf Rädern, Hausnotruf, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Neu war ein aus der Not vieler Menschen geborener kontaktloser Einkaufsdienst während der Lockdowns; Risiko-Patienten können dabei nach wie vor per Telefon, Fax oder Mail ihren Einkauf bestellen, den das Rote Kreuz dann kontaktlos zur Wohnungstüre bringt – die Abrechnung erfolgt bargeldlos über Bankeinzug.
Personalreserve für den Rettungsdienst
Um einem Personalengpass im für alle Menschen existenziellen Rettungsdienst ähnlich wie in Norditalien vorzubeugen, schulte das Rote Kreuz bereits 2020 provisorisch Fahrdienst-Mitarbeiter als Fahrer von Krankentransportwagen (wir berichteten), die aber auch 2021 nicht einspringen mussten, da im Berchtesgadener Land zur Besetzung aller Rettungsmittel auch durch die Personal-Reserve aus den ehrenamtlichen Gemeinschaften immer genug Sanitäter zur Verfügung standen. „Wir verzeichneten vor allem während der Lockdowns Tage mit auffällig wenig Fahrten und in der Zeit danach immer wieder ein meist überdurchschnittlich hohes Transportaufkommen – jeder wollte nachholen, was in den Wochen des Stillstands nicht mehr möglich war. Wir sind froh, dass wir mit sehr viel Aufwand in der Disposition trotzdem noch jeden Tag die meisten Aufträge erledigen konnten, auch wenn manche Patienten mit Unverständnis reagiert haben, wenn das Fahrzeug auch bedingt durch die vielen Sommer-Baustellen und das starke Tourismus-Verkehrsaufkommen mal später als gewohnt gekommen ist“, berichtet Disponent Reiner Lebhart, der in seinem Arbeitsalltag immer wieder sehr starke Nerven braucht. Trotz Corona musste der Fahrdienst neue Mitarbeiter einarbeiten und das bestehende Personal schulen und weiterbilden. Mit viel Aufwand und nahezu täglichen Änderungen waren wichtige Veranstaltungen wie Fahrsicherheitstrainings, Technik-, Hygiene- und Erste-Hilfe-Schulungen möglich.