Jahreshauptversammlung der BRK-Kreis-Wasserwacht: Neubau der Abtsee-Wachstation verzögert – Energiekosten-Explosion gefährdet Schwimmausbildung – Hardware-Mangel bremst digitale Alarmierung aus
BERCHTESGADENER LAND (ml) – Die BRK-Wasserwacht im Berchtesgadener Land drückt aktuell an drei Stellen besonders der Schuh, wie die neue Kreisvorsitzende Sabrina Schauer bei der pandemiebedingt wesentlich später als sonst abgehaltenen Jahreshauptversammlung in Bad Reichenhall berichtete: Durch die exorbitant gestiegenen Energiekosten befürchten die Ehrenamtlichen, dass kurzfristig Schwimmbäder geschlossen werden müssen und damit Training und Ausbildung ausfallen. Auch die Umstellung von analoger auf digitale Alarmierung der Einsatzkräfte steht in den Startlöchern, wird aber durch anhaltende und umfassende Hardware-Lieferprobleme vorerst ausgebremst. Die Ortsgruppe Laufen-Leobendorf muss darüber hinaus ihre 37 Jahre alte, marode Wachstation auf dem Freizeitgelände in Heining am Abtsdorfer See dringend neu errichten, ist aber aufgrund der bau- und umweltrechtlichen Auflagen im Landschaftsschutzgebiet und der damit einhergehenden aufwendigen und langwierigen behördlichen Genehmigungsverfahren und Änderungen so weit hinter ihren eigentlichen Zeitplan zurückgefallen, dass die finanzielle Realisierbarkeit des 250.000-Euro-Projekts und damit ein koordinierter Wachdienst am See in der kommenden Bade-Saison angesichts gestiegener Baukosten schwierig werden.
Sicherheit & Hygiene kritisch
Die aktuelle Wachstation wurde 1985 mit viel ehrenamtlicher Eigenleistung der BRK-Wasserwacht im Freizeit-Gelände am Abtsee-Ufer in Holzbauweise auf einem Beton-Fundament errichtet, ist mittlerweile aber in die Jahre gekommen, baufällig und marode, durch mehrere Hochwasser beschädigt und gegen Wind und Wetter nicht mehr wirklich dicht. „Wir haben keinen separaten Behandlungsraum und die Leute tragen mit ihren Schuhen den ganzen Dreck rein. Wespen, Hornissen, Mäuse und sogar ein Siebenschläfer hausen in den Hohlräumen und kommen durch Lücken ins Innere auf Besuch, was vor allem während der Versorgung eines Notfall-Patienten hygienisch nicht wirklich vertretbar ist“, erklärt Schauer. Die Wachstation hat aktuell auch kein fließendes Wasser und das Abwasser muss aufwendig über Kanister entsorgt werden. Mit dem Neubau soll auch die Zufahrt für den Landrettungsdienst und die Übergabe von Patienten leichter werden, da derzeit Kranke und Verletzte dafür auch bei Regen noch ins Freie gebracht werden müssen, da die Türe der alten Wachstation ums Eck geht, mit der Fahrtrage nicht passiert werden kann und der Weg dorthin über holprigen Untergrund mit Wurzeln führt.
Alte Eiche bleibt als Habitatbaum stehen
„Wir tun das alles ja nicht aus Jux und Tollerei und bauen auch kein Privat-Luxushaus, sondern zeichnen als ehrenamtliche Einsatzkräfte für das Wohl und die Sicherheit der Badegäste verantwortlich und erfüllen damit einen gesellschaftlichen Auftrag“, stellt Schauer klar und bedankt sich zugleich bei den Bürgern und Vertretern der Stadt Laufen und der Gemeinde Saaldorf-Surheim, die die BRK-Wasserwacht im Schulterschluss organisatorisch und finanziell seit Beginn an bei ihrem Bau-Projekt bestmöglich begleiten und unterstützen: Der Bauausschuss der Stadt Laufen hatte das Vorhaben bereits am 18. Januar 2022 einstimmig abgesegnet, das dann im Landratsamt bau- und umweltrechtlich weiter geprüft wurde, wobei sich ergab, dass eine alte direkt an der bisherigen Wachstation stehende und mit ihren Ästen über das Gebäude ausladende Eiche als Habitatbaum nicht gefällt werden darf. „Wir tragen diese Entscheidung als Naturschutz-Organisation natürlich mit, müssen aber dennoch eine zeitnahe Lösung für den Wasserrettungsdienst finden; der Baum ist bei Sturm durch Windbruch auch ein konkretes Risiko für Menschen im Gebäude“, erklärt Schauer. Ein einheimischer Landschaftsplaner half der Wasserwacht dann unkompliziert und unentgeltlich weiter und erstellte ein von der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) angefordertes Gutachten, das am 5. Juli zusammen mit den geänderten Plänen vom Laufener Bauausschuss abgesegnet und direkt danach bei der UNB eingereicht wurde, so dass die Bau-Behörde dann nach amtsinterner Abstimmung am 8. August die lang ersehnte Baugenehmigung erteilen konnte.
Neues Fundament kostet 40.000 Euro mehr
Die Wachstation soll nun mit geschätzten Mehrkosten von rund 40.000 Euro auf einem neuen Beton-Fundament neben dem bisherigen Gebäude wieder in Holz-Bauweise errichtet werden, wobei die alte Wachstation abgerissen wird, ihr Fundament aber als Patienten-Ablage und Übergabe-Platz stehen bleiben darf. Ortsgruppenvorsitzender Christoph Scharf wollte durch die Nutzung des bisherigen, alten Fundaments eigentlich Kosten sparen und eine weitere Flächen-Versiegelung als Nachteil für das Habitat vermeiden und muss nun schauen, wie er die entstandene Finanzierungslücke durch weitere Spenden decken kann, damit der Bau beginnen und der Wachdienst im kommenden Jahr nicht ins Wasser fällt: „Wir wollen so schnell wie möglich loslegen, uns fehlen aber noch sicher 30.000 Euro. Trotzdem können wir es uns eigentlich nicht leisten, dass wir am Abtsee 2023 mindestens ein Jahr lang keine Wasserwacht mehr haben!“ Scharf ärgert sich, dass die Baugenehmigung für einen wichtigen Förderantrag zu spät kam, bedankt sich zugleich aber für die großzügigen Spenden und Zuschüsse der Gemeinden, der Stiftungen, örtlicher Firmen und Privatleute.
Schierghofer übergibt Zepter an Schauer
Nach 16 Jahren Vorsitz hatte Rudi Schierghofer sein Neptun-Zepter als Landkreis-Wasserwacht-Chef 2021 an seine gewählte Nachfolgerin Sabrina Schauer übergeben, die sich bei der Jahreshauptversammlung aufgrund der zuvor pandemiebedingt ausgefallenen Ehrungen nochmals ausdrücklich für Schierghofers außergewöhnlichen Leistungen bedankte. Trotz oder gerade wegen der Corona-Pandemie war das von Covid und dem Hochwasser beherrschte 2021 ein bewegtes und auch arbeitsreiches Jahr für die vier BRK-Wasserwacht Ortsgruppen im Berchtesgadener Land (wir berichteten), wie Schauer und ihr Team bei der ersten in Präsenz abgehaltenen Jahreshauptversammlung nach den Neuwahlen im vergangenen Jahr berichteten, an der neben Vertretern der vier Ortsgruppen auch einige Ehrengäste aus Politik und anderen Blaulicht-Organisationen teilnahmen.
Pandemie bremst Aus- und Fortbildung aus
Da die Wasserwacht als Rettungsdienst systemrelevant ist, mussten die Ehrenamtlichen ihre Aus- und Fortbildungen, aber auch die kameradschaftlichen Treffen auf das absolut für die Einsatzbereitschaft notwendige Maß reduzieren, was für die Freiwilligen und ihr gemeinschaftliches Miteinander besonders bedrückend war und auch wichtige präventive Aufgaben wie die Anfänger- und Rettungsschwimm-Ausbildung stark ausgebremst hat. Trotz vieler ausgefallener Schwimmkurse und Fortbildungen hatten die Wasserretter alle Hände voll zu tun und halfen beispielsweise in den mobilen und stationären Corona-Teststationen und im Testzentrum mit. Die Ehrenamtlichen waren darüber hinaus sowohl beim Hochwasser im inneren Landkreis als auch bereits zuvor als Teil des Wasserrettungszugs der BRK-Wasserwacht Oberbayern im Ahrtal und in Rheinland-Pfalz im Einsatz. Christoph Scharf, zugleich Technischer Leiter der Kreis-Wasserwacht, berichtete in seinem Rückblick auch von den überdurchschnittlich vielen Rettungs- und Bootseinsätzen am Tourismus-Hotspot Königssee.
Die Kreis-Wasserwacht Berchtesgadener Land besteht aktuell aus insgesamt vier Ortsgruppen: Bad Reichenhall, Berchtesgaden, Freilassing-Ainring und Laufen-Leobendorf. Derzeit betreiben sie vier mobile Schnell-Einsatz-Gruppen (SEG´n), drei Wachstationen an Badeseen und eine weitere Wachstation am Königssee. Gemeinsam konnten die Ehrenamtlichen trotz der Pandemie unter hohen Sicherheitsauflagen wichtige für die Einsatzbereitschaft absolut notwendige Ausbildungen durchführen: So kann sich die Kreis-Wasserwacht über neue Wasserretter, zwei Air-Rescue-Spezialisten für die hubschraubergestützte Wasserrettung, einen neuen Hochwasser-Fachberater, einen zusätzlichen Einsatzleiter Wasserrettung, neue Bootsführer und neue Rettungs- und Bergetaucher freuen. In der Anfänger- und Rettungsschwimmausbildung gibt es durch viele ausgefallene Kurse und eine entsprechend hohe Nachfrage teilweise lange Wartelisten, die die Wasserwacht im Rahmen ihrer Präventionsarbeit gegen den Ertrinkungstod so gut wie möglich abarbeitet – in der Hoffnung, dass die Schwimmbäder auch in den kommenden Monaten trotz der hohen Energiepreise offen bleiben.
Neue Ausrüstung & Umzug nach Piding
Am Abtsdorfer See konnte die Ortsgruppe Laufen-Leobendorf ein neues Rettungsboot in Dienst stellen, das einen altersschwachen Vorgänger ersetzt und zugleich als Ausfall-Redundanz für das sehr häufig alarmierte Rettungsboot am Königssee gedacht ist. Die Ortgruppe Bad Reichenhall ist erst vor wenigen Wochen in ihre neu angemietete Unterkunft nach Piding umgezogen, da die bisherige Halle in der Reichenhaller Frühlingstraße vom Eigentümer abgerissen und durch ein Wohnhaus ersetzt wird. Die Einsatzfahrzeuge der Ortsgruppen Berchtesgaden und Freilassing-Ainring sind beide bereits 18 Jahre alt, werden trotz guter Wartung und Pflege zusehends altersschwach und sollen voraussichtlich in den kommenden beiden Jahren planmäßig ausgetauscht werden. Scharf: „Dazu laufen gerade die Ausschreibungen; wir hoffen, dass sie dann trotz des anhaltenden Teile-Mangels bis spätestens Ende 2024 bei uns eintreffen werden!“
263 Kinder und Jugendliche
Jugendleiterin Franziska Kornes berichtete von den derzeit landkreisweit in der Wasserwacht aktiven 263 Kindern und Jugendlichen (Bad Reichenhall (65), Berchtesgaden (157), Freilassing (21) und Laufen (20)) und ihren Aktivitäten, wobei die Ausbildung der Nachwuchsretter auch stark unter den Corona-Auflagen zu leiden hatte; trotz allem waren einige Aktivitäten und Fortbildungen in Sanitätsdienst und Umweltschutz mit wenig Ansteckungsrisiko im Freien möglich. Kornes freut sich auch über die 2021 trotz aller Einschränkungen immerhin 204 verliehenen Seepferdchen-Abzeichen für Schwimmanfänger im Landkreis.
Lob und Anerkennung für die ehrenamtliche Arbeit
Die geladenen Ehrengäste, darunter Landrat Bernhard Kern, Bad Reichenhalls Polizeichef Peter Huber, Landeseinsatzleiter Herbert Gewolf von der Österreichischen Wasserrettung (ÖWR) Landesverband Salzburg, August Hacker von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) Teisendorf, Michael Brandl von der Kreisbrandinspektion der Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis und Christian Schieder als Ressort-Verantwortlicher der gemeinsam von Berg- und Wasserwacht betriebenen Canyon-Rettungsgruppe Chiemgau zeigten sich dankbar und begeistert von der geleisteten Arbeit und gratulierten Schauer und ihrem Team in Grußworten und persönlichen Gesprächen. „Wir haben in Bayern, im BGL sehr gute Strukturen – gerade im Bereich des Katastrophenschutzes. Man kennt sich, man arbeitet zusammen. Machts bitte so weiter!“, lobte Landrat Bernhard Kern, der nicht nur den ehrenamtlichen Rettern, sondern vor allem auch ihren Angehörigen und Arbeitgebern für die immer wieder erbrachten Kompromisse und Entbehrungen dankte. „Es gibt keine Grenzen, sondern nur Zusammenarbeit!“, freute sich ÖWR-Landeseinsatzleiter Gewolf. „Das Freizeit-Verhalten der Bevölkerung hat sich geändert. Man spricht mittlerweile von der so genannten Notruf-Mentalität. Es gibt ja Handys, mit denen man sehr leicht Hilfe holen kann, wenn etwas schief geht. Die Einsätze werden deshalb nicht weniger werden!“, meint Hacker.