Regionalleiter der Bergwacht Chiemgau Dr. Klaus Burger übernimmt wieder Vorsitz des Deutschen Gutachterkreises für Alpinunfälle, alpine Ausrüstung und Materialprüfung
Bisheriger Vorsitzender Wolfgang Spindler unterstützt weiterhin als Stellvertreter - Lawinenwarndienst kündigt neues einheitliches europäisches Konzept zur Beurteilung der Lawinengefahr an
SUDELFELD/BAD REICHENHALL/MÜNCHEN (ml) – Einstimmig haben die Vertreter der alpinen Verbände und der Alpingutachter den Juristen und ehrenamtlichen Leiter der Bergwacht-Region Chiemgau Dr. Klaus Burger zum Vorsitzenden des Deutschen Gutachterkreises für Alpinunfälle, alpine Ausrüstung und Materialprüfung (GAK). Er tritt die Nachfolge von Wolfgang Spindler an und war bereits von 2008 bis 2018 GAK-Vorsitzender. Spindler bleibt auch zukünftig als Stellvertreter im Vorstand. Das Fachgremium als Bindeglied zur Industrie- und Handelskammer (IHK), die Gutachter öffentlich-rechtlich bestellt und prüft, führt weiterhin der Pidinger Peter Geyer, Ehrenpräsident des Internationalen Bergführerverbandes. Weitere Prüfer sind neben Burger die erfahrenen Alpingutachter Dieter Stopper, Jan Mersch und Franz Deisenberger.
Der GAK ist ein hochrangiger, seit 23 Jahren tätiger ehrenamtlicher Expertenkreis. Er setzt im Auftrag der Gutachter-Bestellungsbehörde, seit 2008 die IHK für München und Oberbayern, bundesweit die fachlichen Voraussetzungen für die Sachverständigen auf den Gebieten Ski-, Berg-, Kletter- und Lawinenunfälle, alpine Ausrüstung und Materialprüfung, Canyoning-Unfälle sowie bei Unfällen in mobilen Seilaufbauten und in Seilgärten fest und entscheidet mit über die Eignung der Bewerber. Der GAK bildet sich regelmäßig auch in Kooperation mit Österreichs Alpingutachtern fort und kann auf Bitte der Bestellbehörde zu grundsätzlichen alpinen Fragen Stellung nehmen. Zur Gewährleistung einer hohen Qualität der öffentlich bestellten und vereidigten Alpingutachter der IHK erarbeitete der Gutachterkreis zusammen mit der IHK eine bundesweit gültige Geschäftsordnung, um die fachlichen Bestellungsvoraussetzungen, insbesondere für Ski- und Berg-, Seilgarten- und Canyoning-Unfälle abschließend festzulegen und so deutschlandweit Rechts- und Planungssicherheit für das alpine Gutachterwesen zu gewährleisten und einen hohen Zulassungs- und Prüfungsstandard zu gewährleisten.
Der Expertenkreis aus Sachverständigen und hochrangigen Vertretern der Alpinverbände ist auch für das Bergrettungs- und Einsatzgeschehen der mit den Unfällen primär befassten Blaulicht-Organisationen sehr wichtig; so werden von den Sachverständigen wichtige Diskussionen angeregt, Empfehlungen formuliert und Sorgfaltspflichtstandards implementiert. Wie virulent Recht und Einsatzgeschehen gesellschaftlich ist, beweist der hohe Stellenwert eines kürzlichen Interviews von Burger in der renommiertesten Juristen-Zeitschrift Deutschlands (NJW) zum Thema „Bergrettung ist kein rechtsfreier Raum“.
Neue Homepage der Alpingutachter
Wolfang Spindler berichtete am Tagungsort in der Bergunterkunft der Bayerischen Bereitschaftspolizei am Sudelfeld zunächst, dass die neue Homepage des Gutachterkreises unter www.gak-alpingutachten.de gut besucht und angenommen wird. Auf freiwilliger Basis geben Alpingutachter dort unter anderem ihre Kontaktdaten für eine schnelle Erreichbarkeit öffentlich bekannt. Als Vorstandsmitglied im vom Bayerischen Innenministerium geförderten Bayerischen Kuratorium für Alpine Sicherheit informierte Spindler über die kostenlose NotrufApp für Bayern, Tirol und Südtirol, „SOS EU ALP“ sowie die gemeinsame präventive Initiative mit der Technischen Universität (TU) München „Wandern fürs Herz“, die den Herz-Kreislaufproblemen beim Wandern als häufige Todesursache im Gebirge entgegenwirken soll. Wichtiges Ziel ist auch eine zentrale Unfallstatistik zu erstellen, um Unfallursachen fachlich erkenntnisreicher auswerten zu können, vermeidbare Risiken zu erkennen und zu reduzieren und damit langfristig die Zahl von Toden und Verletzten zu reduzieren.
Bei Lawinenunfällen ist ohne jede Verallgemeinerung der konkrete Einzelfall entscheidend
Christoph Hummel von der Bayerischen Lawinenwarnzentrale wies auf die weltweit kaum mehr zu überblickenden, vielen Strategien zum Erkennen und Beurteilen von Lawinen-Gefahrenlagen und auch den daraus resultierenden Auswirkungen bei der Erstellung von Gutachten zu Lawinen-Unfällen hin. Nun soll eine europäische weitgehend einheitliche Strategie für das Erkennen der Gefahren im Lawinenbereich mehr Transparenz auch für Laien und insbesondere Handlungs- und mehr Rechtssicherheit schaffen. Auch Burger und Spindler bemerkten, dass die stärkere Vereinheitlichung der Methodenlehre zur Beurteilung der Lawinengefahr fachlich sehr zu begrüßen ist. Burger fügte aus juristischer Sicht an, dass bei der Beurteilung eines Lawinenereignisses stets der konkrete Einzelfall entscheidend sei; es verbiete sich, schnell und schematisch über einen Sorgfaltspflichtverstoß bei Lawinenauslösung zu entscheiden, etwa nur nach Lawinenwarnstufe, Hangsteilheit und Exposition. Der Lawinenlagebericht sei außerordentlich wichtig, beschreibe aber die regionale, und nicht die auf den konkreten Einzelhang bezogene Gefahrenlage. Franz Deisenberger, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft österreichischer Alpingutachter, sprach dazu aus eigener schmerzlicher Erfahrung Lawinen-Großereignisse an, bei denen der Sachverständige oft im Spannungsfeld von Öffentlichkeit, Medien und selbsternannten Experten steht. Für den Gutachter gibt es laut Deisenberger daher nur eines: Bei Medien-Anfragen keine eigenen Interviews, keine Auftritte, Verweis auf Pressestellen der Polizei und Justiz - gleichsam einsam bleiben. Auch er selbst sei bereits in massiver Weise in der Öffentlichkeit verurteilt worden, als er in einem Fall mit mehreren Lawinentoten zu dem Schluss gekommen war, dass der angeblich Schuldige gar nicht sorgfaltswidrig gehandelt hätte.
Dr. Klaus Burger stellte abschließend den Gutachtern und Verbandsvertretern aktuelle rechtliche Entwicklungen zur Eigenverantwortung, zur Vertretbarkeit von Risiko und zu Sorgfaltspflichten dar, die bei gemeinsamen privaten oder auch geführten Bergtouren, Rettungsaktionen, alpinen Veranstaltungen oder im Betrieb von kommerziellen Einrichtungen relevant sind: „Ein äußert komplexes Thema, das so manchen versierten Juristen, der selbst kein Bergsteiger ist, verständlicherweise fast überfordert!“
Abschließend sprach Burger Wolfgang Spindler große Anerkennung und Dank für seine fünfjährige Tätigkeit als GAK-Chef aus: „Du hast viel weiterentwickelt, fachlich viel transportiert, bestens die Fortbildungen und Informationen organisiert, und für ein sehr gutes Klima im Expertenkreis gesorgt. Mit Deiner Unterstützung werden wir weiter das Schiff auf Kurs halten!“ Besonders wichtig ist Burger und Spindler die weiterhin enge und unkomplizierte grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den sehr erfahrenen österreichischen Alpingutachtern, um weitgehend einheitliche Beurteilungsmaßstäbe im Alpenraum zu erreichen; dies diene der Handlungssicherheit und Rechtssicherheit aller Beteiligten im Unfall- und Rettungsgeschehen.